Plötzlich ist die Ukraine ganz nah
Plötzlich ist alles ganz anders, denn plötzlich ist Krieg in der Heimat von Vadim Lifshits. Seither ist das Haus des Anästhesie-Oberarztes, der am Klinikum Magdeburg in Olvenstedt arbeitet, Schaltzentrale und Wohnheim. Flüchtlinge aus der Ukraine kommen hier erst mal unter, ehe sie weitergeleitet werden. Selbst Vadims 21-jähriger Sohn will in seiner 32 Quadratmeter großen Wohnung die Tochter einer Freundin aufnehmen. „Sie ist gerade auf dem Weg nach Deutschland. Ihre Mutter, eine Ärztin, bleibt im Krieg. Dort werde sie gebraucht, sagte sie mir. Das ist so mutig“, sagt Lifshits.
Ein Schwager des Anästhesisten bringt mit seinem Pkw Sandsäcke zur Gebietsverteidigung an Frontlinien. Lifshits: „Er will als Partisan kämpfen, falls Putin unser Land übernehmen sollte.“ Freunde, Verwandte, Bekannte – plötzlich sind sie mitten im Krieg. Für Vadim Lifshits nach wie vor unvorstellbar. Noch Anfang Februar war er mit einem Freund im Skiurlaub. „Am Freitag habe ich ihn zum Flieger Richtung Ukraine gebracht. Am Donnerstag darauf fielen die Bomben.“ Seitdem greift Vadim jeden Morgen nach den viel zu kurzen Nächten zuerst zum Handy, informiert sich über die Lage, spricht mit Verwandten, Freunden. Seitdem beginnt für ihn sofort nach der Arbeit ein neuer Alltag. „Wir müssen helfen“, sagt der 52-Jährige und ist froh über die viele Unterstützung. „Unser Klinikum hat einen eigenen Transporter in die Ukraine geschickt mit Beatmungsgeräten, Medikamenten und Verbandsmaterial. Danke. Danke an den Geschäftsführer, den Ärztlichen Direktor, die Apotheke, die Materialwirtschaft, aber auch an die vielen, vielen Helfer außerhalb des Klinikums“, sagt Lifshits.
Junge und Alte, Deutsche, Russen, Ukrainer. Vadim nennt die Apothekerin Sylke Haferland-Böhlke, Ärzte wie Dr. Uwe Siebenwirth, Dr. Sven Ziems, Dr. Nadiya Pilipcuk oder die Internistin Dr. Janna Romanowski, eine Russin, die in Wolmirstedt praktiziert und Putins Krieg genauso verabscheut wie die meisten Menschen. „Diese Hilfe – Wahnsinn“, sagt der Oberarzt, dessen Heimatstadt übrigens Saporischschja, Magdeburgs Partnerstadt ist.
Sein erster Weg nach dem Dienst führt Vadim Lifshits in die Ausländerbehörde, um Aufenthaltsgenehmigungen zu beantragen. Dann werden wieder Hilfsgüter zusammengestellt und organisiert ...